22.01.2025

Reduzierte Kontrollen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit am Bau

Die Kontrollen des Zolls in der Baubranche stehen in der Kritik, da sie weniger Razzien als zuvor durchführen. Gewerkschafter kritisieren, dass dies dazu führt, dass Schwarzarbeit am Bau florieren kann. Wie effektiv ist der Zoll tatsächlich bei der Bekämpfung illegaler Arbeit auf Baustellen?

Reduzierte Kontrollen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit am Bau

Unter der brennenden Sonne stehen Markus Grella und sein Einsatztrupp vom Hauptzollamt Rosenheim in grünen Zolluniformen, schusssicheren Westen und mit Pistolen im Halfter auf der Baustelle eines Dorfes südlich von München. Sie gehen an den Kränen und frisch errichteten Mauern vorbei. Dort, wo heute Betonmischer arbeiten, soll bald ein Supermarkt entstehen. Die Bauarbeiter lassen sich von dem unerwünschten Besuch nicht aus der Ruhe bringen und arbeiten ruhig weiter, indem sie Beton mischen und auf den Gerüsten klettern. Die Zöllner suchen derweil den Leiter der Baustelle auf und bitten ihn, die Pässe der Arbeiter vorzulegen.

Im letzten Jahr hat der Zoll mit seiner Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) mehr als 30.000 Arbeitgeber in der Baubranche kontrolliert. Dabei gelangen der Einsatztruppe immer wieder spektakuläre Aufgriffe, wie zuletzt Ende Juni: Über tausend Beamte durchsuchten Gebäude in Berlin, Düsseldorf, dem Rhein-Main-Gebiet und im europäischen Ausland im Rahmen der Soko "Blattgold". Dabei nahmen die Ermittler 16 Verdächtige fest. Der Verdacht lautet, dass die Festgenommenen die Drahtzieher eines Betrug-Geflechts im Baugewerbe sind und Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 38 Millionen Euro hinterzogen haben.


Kritik an den Kontrollen des Zolls in der Baubranche bleibt bestehen, obwohl solche Aufgriffe stattfinden. Laut der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) gab es in der Vergangenheit nicht genügend intensive Kontrollen. In einigen Regionen habe sich die Anzahl der Razzien am Bau im Vergleich zu 2014 fast halbiert. Die IG Bau befürchtet daher eine unzureichende Bekämpfung von Schwarzarbeit und die Nichteinhaltung des gesetzlichen Mindestlohns auf Baustellen. Die Gewerkschaft fordert außerdem eine "deutliche" Erhöhung der Anzahl der FKS-Kontrolleure auf mindestens 10.000 Stellen.

Der Zoll kontert diese Kritik und betont, dass die Kontrolle des Mindestlohngesetzes einen erheblichen Zeitaufwand erfordert, weshalb insgesamt weniger Prüfungen durchgeführt werden können. Die FKS folgt dem Grundsatz "Qualität vor Quantität". Doch wie aufwendig sind die Kontrollen auf Baustellen wirklich? Und wie effizient arbeitet der Zoll dabei?

Auf der Baustelle in dem bayerischen Dorf machen die Arbeiter ihre erste Pause im Schatten. Zöllner Grella steht neben ihnen und betrachtet eine Liste, in der der Baustellenleiter die Arbeitszeiten der Bauarbeiter eingetragen hat. Laut dem Dokument haben die Arbeiter jeden Tag genau acht Stunden gearbeitet, an Samstagen jedoch nie.

Grella kennt die Tricks mit der Zeitabrechnung: "Bei entsandten ausländischen Arbeitern im Baugewerbe wird manchmal mit den Arbeitszeiten manipuliert. Es wird oft mehr gearbeitet, als angegeben und abgerechnet. Außerdem werden qualifiziertere Personen als Hilfsarbeiter deklariert, um weniger zu zahlen. Das können wir jedoch nur feststellen, wenn wir die Aussagen der Arbeiter vergleichen."

Ermittlungen erschwert durch Scheinrechnungen

Um die Übereinstimmung der Liste mit der Realität festzustellen, befragen die Zöllner jeden einzelnen Arbeiter auf der Baustelle. Das ist zeitaufwendig. Die Beamten benötigen mindestens eine halbe Stunde für die Befragung jedes der etwa zwei Dutzend Arbeiter. Da die meisten von ihnen aus Bosnien stammen, muss die mitgebrachte Übersetzerin des Zolls jede Frage und jede Antwort übersetzen.

Markus Grella arbeitet seit fast 20 Jahren beim Zoll. Im Laufe der Jahre hat der 47-jährige Beamte bei den Baukontrollen einige Veränderungen beobachtet, insbesondere seit der Einführung des Mindestlohns, den der Zoll nun ebenfalls überprüfen muss. Als Ermittler wurde er mit einer Vielzahl von Betrugsversuchen konfrontiert. Die Aufdeckung von Betrügereien in der Baubranche wird für die Zollermittler jedoch immer schwieriger.

Die Manipulationen bei den Arbeitszeiten, die insbesondere den Bauarbeitern schaden und zu verkürzten Sozial- und Steuerabgaben führen, können bei den Baukontrollen von den Ermittlern erkannt werden. Um jedoch schwerwiegende Betrugsfälle aufzudecken, sind umfangreichere Ermittlungen erforderlich. Eine zentrale Frage, die sich den Zöllnern stellt, lautet: Woher stammt das Schwarzgeld, mit dem die Bauarbeiter bezahlt werden?

"Schwarzarbeit in der Gastronomie ist relativ einfach: Wenn der Gastronom statt 50 Tischen nur 20 Tische abrechnet, hat er genügend Schwarzgeld, um illegal beschäftigte Arbeiter zu bezahlen", erklärt Grella. Beim Bau ist das jedoch nicht so einfach. "Der Unternehmer muss für alle Ausgaben Belege haben. Und hier kommen die Scheinrechnungen ins Spiel."


Die Unternehmen passen ihre Tricks an

Das Phänomen der Scheinrechnungen existiert bereits seit Markus Grellas Zeit beim Zoll. Der Betrug ist denkbar einfach: Scheinfirmen verkaufen Bauunternehmen gegen eine geringe Provision Rechnungen für Leistungen, die nie erbracht wurden. Dadurch erhalten die Bauunternehmen einen Beleg für Ausgaben, die sie nie getätigt haben, und haben fortan Schwarzgeld zur Verfügung. "Früher haben einige Bauunternehmen selbst Rechnungen unter falschem Namen ausgestellt. Das macht heute kaum noch jemand. Die Methoden zur Verschleierung haben sich im Laufe der Jahre extrem verfeinert."

Mit dem Grundsatz, Qualität vor Quantität zu setzen, berücksichtigt der Zoll gerade diese verfeinerten Betrugsformen und das mit Erfolg. Die Soko Blattgold schätzte den Wert der von den mutmaßlichen Tätern ausgestellten Scheinrechnungen auf rund 83,5 Millionen Euro.

Die Ermittlungen sind jedoch keineswegs abgeschlossen. Der Zoll wertet derzeit die Spuren aus, die zu den Bauunternehmen führen, die die Scheinrechnungen erworben haben. Laut Ermittlerkreisen ist mit mehr als 200 weiteren Verfahren in der Baubranche zu rechnen. Somit könnten einige Bauunternehmen den Ermittlern ins Netz gehen, obwohl nie ein uniformierter Zollbeamter auf ihren Baustellen zu sehen war.