Baugewerbe besorgt: Wo bleiben die Anschluss-Aufträge?
Die Bauwirtschaft befindet sich in einer schwierigen Phase mit zweistelligen Rückgängen bei Umsatz und Auftragseingängen, was der Branche große Sorgen bereitet. Besonders besorgniserregend ist der deutliche Rückgang im Wohnungsbau. Die Bauindustrie spricht mittlerweile von einem "Investitionsstreik" seitens der Auftraggeber, der die Lage weiter verschärft.
Die Bauindustrie leidet unter einem Mangel an Folgeaufträgen. Im April verzeichnete das Bauhauptgewerbe einen realen Rückgang der Auftragseingänge um 10,3 Prozent, und über die ersten vier Monate dieses Jahres sanken die Auftragseingänge laut dem Statistischen Bundesamt real um 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Aufgrund der gestiegenen Baupreise stiegen die Auftragseingänge nominal um 1,2 Prozent im April und um 4,2 Prozent in den ersten vier Monaten. Aus dem gleichen Grund stieg der Umsatz im Bauhauptgewerbe im April nominal um 2,7 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro, sank jedoch real um 10,8 Prozent. Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), erklärte, dass die Bauunternehmen ihren aktuellen Auftragsbestand nach und nach abbauen, aber immer weniger neue Aufträge hereinkommen. Es ist bereits der dreizehnte aufeinanderfolgende Monat mit einem realen Rückgang der Aufträge. Müller kommentierte: "Es ist daher kein Wunder, dass der Umsatz nun ebenfalls zweistellig im Minus liegt."
Besonders stark betroffen ist der Rückgang der Aufträge im Wohnungsbau. Im April ging der preisbereinigte Auftragseingang in diesem Bereich um 29,8 Prozent zurück, und über die ersten vier Monate ergab sich ein Rückgang um 34,6 Prozent. Müller erklärte, dass dies angesichts eines Rückgangs der Wohnungsbaugenehmigungen im gleichen Zeitraum um 27,3 Prozent nicht überraschend sei. Der Wohnungsbau leide weiterhin unter dem kostenbedingten "Investitionsstreik" privater und gewerblicher Investoren. Müller prognostizierte, dass sich die bestehende Wohnungsknappheit dadurch "deutlich verschärfen" werde. Auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) spricht von einer "ungebremsten Talfahrt" im Wohnungsbau, die sich auch in den Auftragsbüchern der Bauunternehmer widerspiegelt. "Bis April liegen die Bestellungen im Wohnungsbau nominal 25 Prozent und real 35 Prozent unter dem Vorjahresniveau", so ZDB-Hauptgeschäftsführer Pakleppa. Tatsächlich schmelzen die Auftragsbestände langsam ab: Laut ifo-Institut lag die saisonbereinigte Reichweite der Bestände im Wohnungsbau im Mai bei 4,3 Monaten, während sie im Vorjahresmonat noch bei 5,6 Monaten lag.
Die Bauverbände bewerten nur die Entwicklung im Tiefbau im gewerblichen Bereich positiv. Felix Pakleppa bezeichnete sie als "konjunkturellen Lichtblick". Die kumulierten Aufträge liegen per April zumindest nominal um 14 Prozent über dem Vorjahresniveau. Dies ist auf Investitionen der Bahn sowie den Ausbau der Energieinfrastruktur zurückzuführen. Die Bahn hat durch mehrere Großaufträge die Auftragseingänge positiv beeinflusst und entsprechende Investitionsmittel bereitgestellt. Pakleppa betonte, dass nicht nur die Schiene, sondern auch die Bahnhöfe einen hohen Investitionsbedarf haben. Er forderte eine Stabilisierung der Mittel, um eine verlässliche Auslastung der Kapazitäten zu gewährleisten.
Die Bauunternehmen haben in den letzten Jahren während des Wachstums ihre Kapazitäten erweitert und neue Arbeitsplätze geschaffen. Trotzdem droht aufgrund des rückläufigen Auftragseingangs eine zunehmende Unterauslastung, was es den Unternehmen immer schwieriger macht, den Beschäftigungsstand aufrechtzuerhalten, warnte Pakleppa. Daher sind dringend spürbare Investitionsanreize für private und institutionelle Anleger erforderlich.